GrapheneOS bald für andere Smartphones?
GrapheneOS zählt seit Jahren zu den sichersten und am konsequentesten gehärteten Android-Derivaten auf dem Markt. Bislang war das Betriebssystem ausschließlich für Googles hauseigene Pixel-Smartphones verfügbar – ein Umstand, der zwar für Stabilität und Sicherheit sorgte, aber die Reichweite stark begrenzte.
Nun steht ein bedeutender Wandel bevor: Das GrapheneOS-Team arbeitet aktiv mit einem großen Smartphone-Hersteller zusammen, um erstmals auch Nicht-Pixel-Geräte zu unterstützen. Damit wird die bisherige Abhängigkeit von Googles Hardwarestrategie Schritt für Schritt aufgelöst.

Was ist geschehen
Google hat sich dazu entschieden, ab dem Pixel 10, keine Firmwareblobs für die Geräte in ihren Device-Tree mehr auszuliefern angeblich der Effizienz wegen, und um den Code der Releases schlank zu halten. Ein entscheidender Punkt, der oft übersehen wird, ist, wie sehr diese neuen Hürden Googles die Geschwindigkeit von Projekten wie GrapheneOS ausbremsen. GrapheneOS ist bekannt dafür, sehr schnell nach einem neuen Android-Release eine stabile, gehärtete Version für Pixel-Geräte bereitzustellen. Diese schnelle Taktung war bislang überhaupt nur möglich, weil Google die nötigen Bausteine – also Device-Trees, Kernel-Quellen und Treiber-Binaries – zeitnah veröffentlicht hat.
Genau diese Grundlagen fehlen jetzt.
Anstatt die neue Android-Version „einfach“ wie gewohnt in ihr eigenes Sicherheits-Framework einzubauen, müssen die Entwickler nun zuerst versuchen, veraltete Device-Trees aus der vorherigen Version anzupassen, Treiber aus Binärblobs mühselig zu reverse engineeren oder im schlimmsten Fall die gesamte Gerätebeschreibung komplett neu zu schreiben. Das bedeutet:
- Jeder Release erfordert deutlich mehr Arbeitsstunden allein für die technische Basis.
- Die gewohnte „Release-Nähe“ zu Googles offiziellen Pixel-Updates kann nicht mehr gehalten werden.
- Fehler und Inkompatibilitäten schleichen sich zwangsläufig häufiger ein, weil vieles nicht mehr dokumentiert, sondern erraten oder rekonstruiert werden muss.
Für ein Projekt wie GrapheneOS, das höchsten Sicherheitsansprüchen gerecht werden will und keinerlei Kompromisse bei der Systemintegrität eingeht, ist das ein echter Klotz am Bein.
Andere Custom-ROMs können an manchen Stellen pragmatischer arbeiten, etwa indem sie provisorische Treiber einbauen oder Teile des Systems nur oberflächlich anpassen. GrapheneOS hingegen arbeitet auf Kernel- und Hardwaresicherheitsniveau. Das bedeutet, jeder fehlende oder fehlerhafte Baustein muss sauber und sicher ersetzt werden – sonst wird nicht veröffentlicht.
Und genau das erklärt auch, warum GrapheneOS nicht mehr so schnell neue Versionen herausbringen kann wie früher. Diese künstlichen Barrieren sind kein kleines Hindernis, sondern ein echter Bremsklotz, der die gesamte Entwicklungsdynamik des Projekts verändert hat.
Aus diesem Grund ist auch der Schritt zur Zusammenarbeit mit einem OEM so logisch: Wenn der Hersteller selbst die nötigen Ressourcen bereitstellt, müssen die Entwickler nicht mehr monatelang im Dunkeln stochern, sondern können wieder mit kalkulierbaren Entwicklungszeiten arbeiten – und damit ihre Releases wieder zeitnah und stabil liefern.
Ein High-End-Flaggschiff als neue Plattform
Laut Aussagen eines GrapheneOS-Moderators im offiziellen Subreddit arbeitet das Projekt derzeit mit einem großen OEM (Original Equipment Manufacturer) zusammen. Das Ziel: ein Smartphone auf Basis bereits bestehender High-End-Hardware mit einer offiziellen GrapheneOS-Unterstützung.
Konkret soll das Gerät mit dem aktuellen Snapdragon 8 Elite Gen 5 ausgestattet sein. Dieser wurde erst Ende September vorgestellt und liefert sowohl bei CPU- als auch bei GPU-Leistung spürbar mehr Performance als aktuelle Pixel-Modelle. Die Snapdragon-Plattform bringt außerdem erstklassige Hardware-Komponenten mit:
- Hochwertige Kommunikationsmodule: Modernes Wi-Fi, Bluetooth, GNSS sowie eSIM-Unterstützung.
- Leistungsfähige Signalverarbeitung: Snapdragon-SoCs verfügen über ausgereifte ISP- und NPU-Komponenten, was nicht nur Kameraqualität verbessert, sondern auch lokale KI-Funktionen effizient beschleunigt.
- Langfristige Update-Perspektive: Durch die enge Zusammenarbeit mit dem OEM erhalten die GrapheneOS-Entwickler frühzeitig Zugriff auf Treiber, Kernelquellen und sicherheitsrelevante Firmware.
Preislich soll das neue Gerät in der gleichen Liga wie die Pixel-Modelle spielen und breit verfügbar sein – also nicht nur in einzelnen Regionen, sondern in mehreren Märkten weltweit.
Warum dieser Schritt für GrapheneOS so wichtig ist
In einem weiteren Statement erklärte das Projektteam, dass die derzeit am Markt verfügbaren Geräte des Partners zwar noch nicht die extrem hohen Sicherheitsanforderungen von GrapheneOS erfüllen, aber eine kommende Geräteserie diese Anforderungen explizit erfüllen wird.
Damit entsteht für das Projekt zum ersten Mal eine vollwertige Alternative zur Pixel-Reihe, die bislang die einzige Basis für die offizielle Firmware war.
Diese strategische Öffnung hat mehrere Vorteile:
- Weniger Abhängigkeit von Google:
Google hat in den letzten Android-Versionen begonnen, die Entwicklung von Custom-ROMs aktiv zu erschweren. So fehlen bei Android 16 die bisher üblichen Device-Trees, vollständige Kernel-Commit-Historien und Treiberpakete. Für Projekte wie GrapheneOS, die sehr tief ins System eingreifen und Sicherheitsfeatures auf Kernel-Ebene implementieren, ist das ein massives Problem. - Stabilere Entwicklungsgrundlage:
Wenn ein Hersteller offiziell mitarbeitet, bekommt das GrapheneOS-Team direkten Zugang zu allen notwendigen Ressourcen – ohne auf Googles Veröffentlichungsrhythmus oder Einschränkungen angewiesen zu sein. - Längere und planbarere Updatezyklen:
GrapheneOS hat sehr hohe Anforderungen an Sicherheitspatches und Firmwarepflege. Ein kooperierender OEM kann diese Anforderungen gezielt berücksichtigen, anstatt dass sich die Entwickler mühsam an Googles Änderungen anpassen müssen. - Mehr Geräte, größere Reichweite:
Der Pixel-Markt ist verhältnismäßig klein. Mit einem starken Partner kann GrapheneOS deutlich mehr Nutzer erreichen – und damit auch seine Bedeutung als sicherheitsfokussiertes Betriebssystem ausbauen.
Pixel-Support bleibt vorerst bestehen – aber die Prioritäten verschieben sich
Das Projekt bestätigte parallel, dass es weiterhin Unterstützung für die kommende Pixel 10-Serie geben wird. Allerdings ist die Anpassung an die neue Android-Version QPR1 deutlich aufwendiger als in den Vorjahren. Einen genauen Zeitplan für die Veröffentlichung gibt es deshalb nicht.
Langfristig ist aber klar erkennbar: Sobald das neue Partnergerät stabil läuft, wird GrapheneOS seine Entwicklung zunehmend auf diese Plattform fokussieren. Ob und in welchem Umfang neue Pixel-Modelle wie Pixel 11 noch unterstützt werden, ist offen.
Ein offizieller Release des neuen GrapheneOS-Smartphones wird nicht vor dem dritten Quartal 2026 erwartet. Das passt zum Zeitfenster, in dem Google traditionell neue Pixel-Geräte vorstellt.
Warum Google den Custom-ROM-Entwicklern das Leben schwer macht
Google veröffentlicht zwar weiterhin den Android-Quellcode über das Android Open Source Project (AOSP), aber entscheidende Bestandteile wie Gerätetrees, Treiberpakete und Kernel-Commit-Historien sind nicht mehr öffentlich verfügbar.
Das bedeutet:
- Ohne diese Komponenten ist die Entwicklung eines sauberen, stabilen Custom-ROMs deutlich schwieriger.
- Sicherheitskritische Teile des Systems lassen sich nicht mehr transparent prüfen oder nachbauen.
- Projekte wie LineageOS oder /e/OS müssen auf inoffizielle Quellen oder mühsame Reverse-Engineering-Prozesse zurückgreifen.
Für GrapheneOS, das besonders auf Integrität, reproduzierbare Builds und strenge Sicherheitsmaßnahmen setzt, war diese Entwicklung ein echter Bremsklotz. Die Partnerschaft mit einem Hersteller ist daher ein logischer und strategisch sinnvoller Ausweg.
Historische Parallele: OnePlus und CyanogenMod
Die Situation erinnert an die Zusammenarbeit zwischen OnePlus und CyanogenMod vor rund einem Jahrzehnt. Damals brachte OnePlus das OnePlus One direkt mit CyanogenMod auf den Markt. Auch dort profitierte ein Custom-ROM enorm von einer offiziellen Partnerschaft mit einem Hardwarehersteller.
Diese Kooperation endete zwar, als OnePlus auf OxygenOS umstieg, doch sie zeigte, wie stark ein Open-Source-Projekt durch direkten Hardwarezugang profitieren kann. GrapheneOS versucht nun, einen ähnlichen, aber stabileren und langfristigeren Weg zu gehen.

Fazit: Ein lang erwarteter Befreiungsschlag
Der geplante Wechsel von der Pixel-Exklusivität hin zu einer offiziellen Kooperation mit einem großen OEM ist ein Meilenstein für GrapheneOS. Er bedeutet:
- Mehr Unabhängigkeit von Google
- Längere Sicherheitsunterstützung und bessere Entwicklungsbedingungen
- Zugang zu moderner High-End-Hardware
- Potenziell größere Verbreitung und mehr Sichtbarkeit
Für sicherheitsbewusste Nutzer ist das eine sehr gute Nachricht: Statt sich auf Googles Launen verlassen zu müssen, steht künftig ein dediziertes High-Security-Smartphone zur Verfügung, das direkt auf GrapheneOS abgestimmt ist.
Wenn alles nach Plan läuft, könnte das Projekt damit endgültig den Sprung aus der Nische schaffen – und einen neuen Standard für sichere Android-Geräte setzen.