Lügen der Tories im Boris Johnson Wahlkampf 2019
Die Lügen der Tories im Boris Johnson Wahlkampf 2019, ein kurzer Einblick: Der jüngst abgeschlossene Parlamentswahlkampf gilt nun als einer der kontroversesten in Großbritanniens neuerer Historie. Zu den Hauptakteuren zählten Journalisten, Strategen aus Parteien und anonyme Geldgeber.
Nach einer Umfrage des britischen Instituts YouGov vom 2. Dezember 2019 glaubte über ein Drittel der britischen Bevölkerung, dass Politiker in vorherigen Wahlkämpfen nicht immer ehrlich waren. Eine überwältigende Mehrheit von 87% wünscht sich, dass Wahlwerbung gesetzlich auf ihre Wahrhaftigkeit überprüft wird.
Laut Untersuchungen der Nichtregierungsorganisation "First Draft" schalteten die Konservativen unter Boris Johnson zwischen dem 1. und 4. Dezember 6000 Anzeigen auf Facebook. Eine beunruhigende Anzahl, 88%, davon wurde als "irreführend" eingestuft. Beispielsweise wurde 5.000 Mal das Versprechen verbreitet, 40 neue Krankenhäuser zu errichten und 544 Mal, dass eine von Johnson geführte Regierung 50.000 neue Pflegekräfte für den NHS rekrutieren würde.
Diese Kernversprechen des konservativen Wahlkampfes sind allerdings nicht korrekt. Ein neuer Bericht der "Coalition for Reform in Political Advertising" sowie der konservative Journalist Peter Oborne, der eine eigene Faktencheck-Website für die Wahlen betreibt, haben diese Behauptungen widerlegt.
Tatsächlich war geplant, bis 2025 nur sechs Krankenhäuser zu renovieren und zu erweitern. Weitere 38 Krankenhäuser erhielten zwar Geld für Baupläne, aber weder die Finanzierung noch die Genehmigungen für den Baubeginn sind vorhanden. Und von den angekündigten 50.000 "zusätzlichen" Pflegekräften sind bereits 18.500 beim NHS beschäftigt und sollen lediglich dazu ermutigt werden, weiterhin im Gesundheitssektor zu arbeiten.
Die weit verbreiteten Falschaussagen der Tories wurden oft nicht hinterfragt, insbesondere von großen Medienhäusern wie der BBC. Dies hat in den letzten Wahlkampftagen zu Situationen geführt, die das ohnehin schon wackelige Vertrauen in solche Institutionen möglicherweise noch mehr untergraben haben.
Boris Johnson und der vierjährige Junge im Krankenhaus
Ein herausragendes Beispiel für die Spannungen war ein Vorfall in einem Krankenhaus in Leeds. Später sorgte das Bild eines vierjährigen Jungen, der aufgrund mangelnder Betten auf dem Flur eines Krankenhauses schlafen musste, für erheblichen Aufruhr. Die "Daily Mirror", eine der Labour-Partei zugewandte Zeitung, zeigte das Foto auf ihrer Titelseite und kritisierte damit die Bedingungen im Gesundheitswesen. Die Beendigung der Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen zählt zu den Hauptforderungen im Wahlprogramm von Labour.
Boris Johnson hatte in der darauffolgenden Wahlkampfphase schwierige Stunden. Ein ITV-Reporter konfrontierte ihn in einem Interview mit dem Foto, welches er auf seinem Smartphone zeigte. Johnson vermied einen Kommentar und steckte stattdessen das Smartphone des Reporters in seine Tasche - ein PR-Albtraum.
Die Tories reagierten und schickten Gesundheitsminister Matt Hancock nach Leeds, um die Wogen zu glätten. Plötzlich berichteten Twitter-Accounts von Journalisten, einschließlich BBC's Chefkorrespondentin Laura Kuenssberg, ein Mitarbeiter Hancocks sei vor dem Krankenhaus von Labour-Anhängern angegriffen worden. Es wurde auch verbreitet, dass Labour zahlreiche Aktivisten mit Taxis zum Krankenhaus transportiert habe, um zu demonstrieren. "Hochrangige" Tory-Quellen hätten dies bestätigt.
Allerdings stellte sich rasch heraus, dass nur eine kleine Anzahl an Demonstranten vor Ort war. Der Mitarbeiter wurde nicht angegriffen, sondern stolperte über einen protestierenden Aktivisten. Kuenssberg und andere Journalisten korrigierten ihre Aussagen, doch die Nachricht war bereits weit verbreitet.
Die Situation verschärfte sich noch, als auf Facebook behauptet wurde, das Foto mit dem Jungen sei von Labour gefälscht worden. Tausende sahen die Behauptung, dass Labour manipuliert hätte. Doch kurze Zeit später rückte die Verfasserin des Posts von ihrer Aussage ab und behauptete, ihr Konto sei gehackt worden. Dies führte zu der drängenden Frage: von wem?
Fälschungen sind Teil des konservativen Wahlkampfes
Als die erste TV-Debatte zwischen den Parlamentsparteien startete, änderte der Twitter-Presseaccount der Tories seine Identität und gab sich als "Faktencheck"-Seite aus. Trotz erheblicher Kritik für diese frühzeitige Wahlkampfmanöver blieben die Konservativen unbeeindruckt.
Die Tories haben mächtige Unterstützer. Viele bedeutende britische Zeitungen sind im Eigentum von reichen Unternehmern, die den Konservativen nahestehen. Immer mehr vermischen sich hier konservativer Aktivismus und radikale rechte Tendenzen.
Ein besonderes Beispiel war ein zurückgezogener Artikel aus Rupert Murdochs "The Sun". Der Artikel thematisierte ein vermeintliches "linksradikales" Netzwerk hinter der Labour-Partei, wobei die Informationen von einer von "Ex-Militärs" erstellten Website stammten, die Quellen aus rechtsextremen Kreisen, wie "Aryan Unity", zitierte.
Dies hat realweltliche Auswirkungen. Es wurden besonders Labour-Aktivisten Ziel von gewalttätigen Angriffen. Ein 72-jähriger Mann war eines der Opfer. Labour-Chef Jeremy Corbyn sprach von "51 Tagen unsäglicher Übergriffe" gegen seine Parteimitglieder in einer Rede in Middlesborough.
Boris Johnson vermied kritische Interviews. Sein Wahlkampf am Mittwoch gipfelte darin, dass er sich vor Journalisten in einer Kühlhalle versteckte, während sein Pressesprecher die Medienvertreter beschimpfte. Dies ist nicht das Verhalten eines überzeugten Politikers. An Absurdität nicht zu überbieten
An Absurdität nicht zu überbieten
Es ist zutiefst verstörrend und ironisch zugleich, dass Regierungen weltweit mit dem Vorwand, "Fake News" zu bekämpfen, Restriktionen einführen, nur um selbst genau diese gefälschten Nachrichten zu verbreiten oder zumindest zuzulassen. In einer Ära, in der Information und Wissen mächtiger sind denn je, sollte die Verantwortung für Wahrheit und Transparenz an vorderster Front stehen. Statt die Bürger vor Desinformation zu schützen, werden sie jedoch oft zum Spielball politischer Agenden.
Wenn demokratische Staaten, die sich als Hüter von Freiheit und Menschenrechten präsentieren, selbst Fehlinformationen verbreiten oder tolerieren, ist das ein Schlag ins Gesicht aller Bürger und untergräbt das Vertrauen in unsere Institutionen. Wie können wir von Einzelpersonen und Medienunternehmen verlangen, sich an höhere Standards zu halten, wenn die Regierung – die Instanz, die diese Standards setzen sollte – sie selbst missachtet?
Die Freiheit der Presse und die Meinungsfreiheit sind Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft. Anstatt sie zu untergraben, sollten Regierungen sie fördern und verteidigen. Die Regulierung von "Fake News" kann allzu leicht als Vorwand dienen, um Kritiker zum Schweigen zu bringen oder unliebsame Meinungen zu zensieren. Das ist nicht der Weg einer freien, offenen und demokratischen Gesellschaft.
Es ist an der Zeit, dass die Regierungen weltweit Verantwortung übernehmen, sich der Wahrheit verpflichten und sicherstellen, dass ihre Bürger Zugang zu korrekten und unverfälschten Informationen haben. Nur dann können wir wirklich behaupten, in einer wahrhaft demokratischen und freien Gesellschaft zu leben.
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